Liesel Westermann war 1968 als amtierende Diskuswurf-Weltrekordlerin Olympia-Mitfavoritin

Klub-Chronik Teil 3: Vom dreifachen Olympia-Silber bis zum EM-Boykott

Wir stöbern weiter im Archiv, schwelgen in Erinnerungen – und erzählen die Geschichten der Bahnbrecher mit dem Kreuz auf der Brust. Namen wie Liesel Westermann, Claus Schiprowski und Gerhard Hennige sind keineswegs nur Kennern ein Begriff. Sie wurden 1968 Olympia-Zweite. Gerhard Hennige hält seitdem den TSV-Rekord über 400 Meter Hürden.


Bei den Olympischen Spielen 1968 in Mexico-City holten Leverkusener Leichtathleten drei Silbermedaillen. Für Diskuswerferin Liesel Westermann zerrann der Traum vom Olympiasieg. Nur die rumänische Olympiasiegerin das Glück hatte, ihren ersten Versuch noch im Trockenen zu absolvieren. Alle anderen Athletinnen hatten mit heftigem Regen zu kämpfen. Noch drei Mal steigerte die Athletin von Gerd Osenberg ihren eigenen Weltrekord: 1968 auf 62,54 sowie 1969 zunächst auf 62,70 und dann später auf 63,96 Meter. Hier mehr zu Liesel Westermann.

Claus Schiprowski stellte als Stabhochsprung-Zweiter mit 5,40 Metern einen Europarekord auf – höhengleich mit Olympiasieger Bob Seagren (USA) und Bronzemedaillengewinner Wolfgang Nordwig (SC Motor Jena). Zunächst hatte Claus Schiprowski im Hürdensprint als  großer Hoffnungsträger gegolten. Im Stabhochsprung steigerte er sich innerhalb von zwei Jahren von 3,70 Meter auf 4,10 Meter. Dann folgten 4,60 Meter, was ihm 1964 DM-Bronze einbrachte. Das Mexiko-Ticket sicherte sich Claus Schiprowski mit der Steigerung des deutschen Rekordes auf 5,13 Meter. und Gerhard Hennige (4x400-Meter-Staffel).

„Beinahe-Weltrekordler“

Gerhard Hennige sackte in Mexico-City gleich zwei Medaillen ein. Über 400 Meter Hürden wurde er Zweiter - in 49,02 Sekunden, dem heute ältesten Vereinsrekord des TSV Bayer 04 Leverkusen. Der Schützling von Bert Sumser war der erste deutsche Langhürdler, der eine Olympia-Medaille erkämpfte. Notiz am Rande: Aus dem Publikum wurde ihm nach dem Zieleinlauf eine Dose Bier zugeworfen.

Im Halbfinale war der Leverkusener mit 49,1 Sekunden Weltrekord gelaufen – im Prinzip jedenfalls. Doch laut Reglement musste eine Weltrekordzeit 24 Stunden bestehen, um in die Rekordlisten einzugehen. In seinem Fall waren es nur 18 Stunden, denn im Finale wurde die Zeit durch den Briten David Hemery auf 48,1 Sekunden verbessert. Zusammen mit Helmar Müller, Manfred Kinder und Martin Jellinghaus wurde Gerhard Hennige – an Position zwei laufend - in der 4x400-Meter-Staffel Dritter. Das Quartett verbesserte den Europarekord auf 3:00,05 Minuten.

EM-Boykott in Athen

Auch bei den Europameisterschaften 1969 gewann Gerhard Hennige mit der Staffel Bronze. Beteiligt waren zudem Horst-Rüdiger Schlöske, Ingo Röper und Martin Jellinghaus. Überaus bemerkenswert: Der Deutsche Leichtathletik-Verband war nur in den Staffel-Wettbewerben am Start. In den Einzelwettbewerben boykottierten die DLV-Athleten die Wettkämpfe in Athen - aus Solidarität zu 1.500-Meter-Läufer Jürgen May, der nach seiner Flucht aus der DDR nicht starten durfte. Laut IAAF-Statuten hatte er die Staatsangehörigkeit gewechselt und unterlag damit einer dreijährigen Startsperre für internationale Meisterschaften.

Nach seinem Abschluss als Diplom-Sportlehrer wurde Gerhard Hennige 1969 hauptamtliche Lehrkraft am Hochschulsportzentrum der heutigen TU Darmstadt. Nebenbei fungierte er sechs Jahre lang dänischer Nationaltrainer und coachte dort unter anderem Hürdenläufer Lars Ingemann Nielsen. Mit dem siebenfachen Automobil-Weltmeister Michael Schumacher feilte er als Personaltrainer an Kraft, Beweglichkeit und Ausdauer.

Teil 1: Von den Anfängen bis zu Armin Harys EM-Gold
Teil 2: Von Willi Holdorfs Olympia-Gold bis zu den ersten Weltrekorden

Wird fortgesetzt. Nächste Folge: Montag, 25. Mai 2020

Harald Koken

 


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